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Die Melisse und ihr Geist (2)Der Weg zur geistartigen Arznei"Das beste Theil und Zeit seiner Destillierung ist allein das Kraut gehackt/und im Ende des Meyen gebrannt"
(Braunschweig)
Im Melissengeist wird die Melisse begleitet von Bestandteilen wie Engelwurz, Alantwurzel, Enzian, sowie einer Vielzahl von Gewürzen wie Zimt, Ingwer, Galgant, Nelken, Muskat ... (vgl. Tabelle).
Seinerzeit wurde das "Aqua vitae" immer unter Zuhilfenahme der Destillation zubereitet, einer Methode zur Vergeistigung einer Arznei, also zur Anreicherung des alchimistischen Merkur. Heute befinden sich auch einige Präparate im Handel, die nicht auf diese Weise hergestellt wurden. Die Destillation macht jedoch, ebenso wie die Ingredienzien, einen Großteil des geriatrischen Arzneipotenzials aus. Das Alter, das dem Prinzip Sal zuzuordnen ist, wird durch das Prinzip Merkur belebt und aus der Statik wieder zur Bewegung gebracht. Denn nur wo Bewegung ist, kann es Leben geben. Der Mensch verändert sich im Zuge des Alterns zunehmend Richtung Sal-Prinzip. "Starre" und "Erkaltung" nehmen also immer mehr zu. Um diesem Bestreben entgegenzuwirken, muß das entsprechende Arzneimittel merkuriell und damit bewegend sein sowie sulphurisch und damit anheizend. Da jedoch "in keiner Weise eine Krankheit durch entgegengesetzte Mittel geheilt wird, sondern nur durch ihr ähnliche" (Paracelsus: III/457), muß der Arznei noch etwas zugegeben werden, das dem Sal-Prinzip entspricht. Die meisten Rezepturen erfüllen diesen Anspruch prinzipiell durch die Verwendung von Wurzeln, die man diesem Prinzip vermehrt zuordnen kann. Alchimistisch lässt sich das Sal-Prinzip um ein vielfaches verstärken, indem man einen Teil des veraschten Pflanzenrückstands dem Destillat zugibt. Aus diesem Gedankengang heraus ergibt sich, dass die üblichen Handelspräparate nach spagirischen Gesichtspunkten durchaus noch zu verbessern sind, da sie alle auf einen Aschezusatz verzichten. Um diese Überlegung zu verifizieren, begann der Autor den Versuch einer eigenen Herstellung: Die frische Melisse wird zerkleinert und mit Alkohol angesetzt. Die weiteren Hauptbestandteile (siehe Rezept) werden einzeln, ebenfalls frisch, zu einer Tinktur verarbeitet. An der Seite des Melissenauszugs reifen sie in Ruhe und bei Zimmertemperatur. Die Gewürze bilden dabei einen eigenen Bestandteil, der sich aus sieben Stoffen zusammensetzt, so daß die Gesamtmischung in Relation als eine Zusammensetzung von sieben Komponenten anzusehen ist. Nach etwa einem dreiviertel Jahr werden die Einzeltinkturen vereinigt, indem man sie nacheinander, im Verlauf von ungefähr einem halben Jahr, der Melissentinktur zusetzt. Die somit entstandene Tinkturmischung reift erneut ihre Zeit und wird dabei jeden Tag geschüttelt. Einerseits um die Einzelbestandteile aneinander "zu gewöhnen", andererseits um eine Durchmengung während dieser Putrefactio zu gewährleisten. Bei der folgenden Destillation sollte man vor allem auf einen guten Stand der Venus achten (z.B. Venus im Sternzeichen Fische, Stier oder Waage). In alten Kräuterbüchern findet man häufig einen Verweis auf die Destillation "im schönen Mayen", dem Sternzeichen Stier, das der Venus zugeordnet ist. Die Destillation findet in Form einer siebenfach wiederholten Kohobation statt. Das klare Destillat wird anschließend seiner ersten Reife unterzogen. Nach ca. 40 Tagen wird dieses Gemisch sieben Tage lang am Rückfluß destilliert (Circulatio). Nach Einstellung der Trinkstärke mit Quellwasser auf etwa 60% vol. setzt erneut eine Reifeperiode ein. Da dieses Heilmittel insbesondere in der Geriatrie Anwendung finden soll, die wie schon gesagt dem Sal-Prinzip entspricht, nutzt man die Reifezeit, um den im Kolben verbliebenen Pflanzenrückstand zu veraschen (Calcinatio, entspricht Sal). Das dabei entstandene Pulver reinigt man durch wiederholtes Auswaschen, bis es eine reine weiße Farbe hat. Der wasserlösliche Teil der Asche wird dem Produkt in geringer Menge zugegeben. Nach einer erneuten Reifezeit, inzwi- schen sind drei Jahre vergangen, ist das Präparat schließlich fertig. Entstanden ist eine klare Flüssigkeit mit sehr mildem und aromatischem Geruch und Geschmack. Die Heilwirkungen sind überzeugend. |
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